Publikum fiebert bei Theaterstück „Ranzlichter“ mit
"Ranzlichter" - Mit Boxershorts und Pelz im Mund
Was war das nur für ein Typ? So manch einer der Zuschauer, die sich am Freitag oder Samstag im Saal der Gaststätte Vollmer für das Theaterstück „Ranzlichter“ von Knut Winkmann eingefunden hatten, war sich wohl nicht ganz sicher, ob man mit diesem Guido einen unbeschwerten Abend verbringen könnte. Da lag er bäuchlings in Boxershorts auf einem Sitzkissen, kratzte sich ungeniert den Allerwertesten, spülte den Pelz im Mund mit einem weiteren Schluck Hochprozentigem runter und begann dann, mit verflossenen Liebschaften, seinem Manager und seinem tristen Tingeln durch Kurparks und Stadthallen abzurechnen. Vorbei die Zeiten als Stern am Unterhaltungshimmel, vorbei die großen Arenen und das kreischende Publikum, dafür jetzt drittklassige Auftritte, fremde Hotelzimmer und die Einsamkeit….
Dabei war Guido (Toni Röhrig) nie ganz alleine, teilte er sich die Bühne doch mit seinem Gewissen (Manuela Alder), das ihm zwischendurch mal ein Glas Wasser reichte und ihn an so irdische Dinge wie gesunde Lebensweise und das Bilden von Rücklagen erinnerte. Neben ihren eindringlichen Appellen an den abgehalfterten Showstar war es besonders Alders Mimik, die für sie einnahm: Manuela Alder ließ sich den Bühnenneuling keinen Moment lang anmerken und agierte souverän an Röhrigs Seite.
Toni Röhrig, der als Regisseur der Schenkwaldspielschar eher vor oder hinter der Bühne aktiv ist, bot auch auf der Bühne eine eindrucksvolle Leistung: Er reihte Chansons, Evergreens und Schlager aneinander, zum Teil nur eine Armeslänge von seinem Publikum entfernt sitzend, und berührte durch sein warmes Timbre und seine unglaubliche Präsenz in jeder Sekunde. Die Wandlung vom grantelnden Rüpel, der einst gefeierter Star war und sich am Ende mit neuer Zuversicht zurück ins Leben kämpft, vollzog sich parallel in den Liedern – von „Du lässt dich gehen“ über eine textlich frei abgewandelte Version von Helene Fischers „Atemlos“ bis hin zu Sinatras „My way“. Und auch sein Outfit wuchs mit: Von der Unterhose schlüpfte er in den (nach-)lässigen Freizeitlook, schmiss sich schwelgend noch einmal ins Glitzerjäckchen seines einstigen Ruhms und brillierte beim Finale im perfekt sitzenden Anzug mit Blume im Knopfloch.
Zweimal ausverkauft war der Saal bei Vollmer – eine beachtliche Bilanz für ein eher ungewöhnliches Theaterangebot in Ottmarsbocholt. Und an beiden Abenden entließen Alder und Röhrig ein begeistertes Publikum, das rudelsingend mitgefiebert hatte, wie sich der Protagonist mit sich selbst versöhnt. Vollblutbühnenmensch Röhrig, aber besonders auch Debütantin Manuela Alder sind als Ottmarsbocholter gemeinsam ein großes Wagnis eingegangen, sich vor Freunden, Nachbarn und Bekannten dermaßen zu exponieren. Doch das Experiment ist geglückt und weckte sicher bei vielen den Wunsch, öfter einmal so großes Theater im kleinen Dorf zu erleben.